Sicherheit in München
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Gefahrenzone Rotkreuzplatz?

Seit dem 1.9.2016 gibt es in Neuhausen eine Sicherheitswacht, die das subjektive Sicherheitsgefühl der Anwohner_innen herstellen und stärken soll. Für die Sicherheitswacht laufen Freiwillige öffentliche Plätze ab und dienen den Bürger_innen als Ansprechpartner_innen. Einer dieser Plätze ist der Rotkreuzplatz. Aber was macht den Rotkreuzplatz unsicher?

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Der Rotkreuzplatz stellt einen der belebtesten Plätze in München dar: Aufgrund zahlreicher Konsummöglichkeiten, wie Cafés, Eisdielen, Drogeriemärkten und Kaufhäusern, begegnen sich an diesem Ort die unterschiedlichsten Menschen. Der Geräuschpegel ist aufgrund der umliegenden Straßen, der öffentlichen Verkehrsmittel und der vielen Menschen sehr hoch. Da sich sowohl U-Bahn-Stationen, Bushaltestellen und Tramstationen rund um den Platz befinden, eilt immer wieder ein Schwung von Menschen über den Rotkreuzplatz, was ihm eine hektische und ungemütliche Atmosphäre verleiht. Für mich ist bei Besuchen des Platzes zudem auffällig, dass er nicht besonders „schön“ und gepflegt ist, vergleicht man ihn beispielsweise mit dem Gärtnerplatz, auf dem Blumenbeete angeordnet sind. Aufgrund der vielen Straßen, der Unsauberkeit, der fehlenden Ästhetisierung und der Hektik ist es für mich durchaus nachvollziehbar, wenn man sich auf dem Rotkreuzplatz nicht hundertprozentig wohlfühlt, doch scheint mir der Platz eher unordentlich als unsicher. Andere nehmen den Rotkreuzplatz jedoch offensichtlich einladender wahr, denn sie nutzen den Raum als Wohnzimmerersatz und zum Verweilen: Der Rotkreuzplatz ist ein runder Platz, der allerlei Sitzmöglichkeiten bietet. Dort halten sich an einem Nachmittag unter der Woche einerseits Mütter und Väter mit ihren Kindern auf, die den Platz auch zu nutzen scheinen, um soziale Kontakte zu pflegen und das Treiben rund um den Ort zu beobachten. Andererseits lassen sich zwei Obdachlose beobachten, die sich angeregt mit einer Flaschensammlerin unterhalten und dabei Spaß zu haben scheinen. Weiter stechen zwei Rentner ins Auge, die den Platz als Gartenersatz zu nutzen scheinen und eine Runde Boccia spielen. RentnerInnen, Eltern, Obdachlose, Kinder, FlaschensammlerInnen: machen sie den Rotkreuzplatz unsicher?

Eine Sicherheitswacht soll unter anderem dafür sorgen, dass sich der Lärmpegel, verursacht durch Personen, im Rahmen hält, es geht also darum, die öffentliche Nutzung von Plätzen einzuschränken. So bieten Wochenenden und Abende besonders viel Einsatzpotenzial für eine solche Institution – auch am Rotkreuzplatz. Dieser ist auch zu späterer Stunde noch sehr belebt, wie ich bei einem weiteren besuch feststellen kann. Jedoch fehlt die Hektik, die tagsüber zu herrschen scheint. Der Platz wird nun vermehrt und für eine längere Dauer als tagsüber von bestimmten Gruppen als Aufenthaltsort genutzt.

Die beiden Obdachlosen von Dienstag befinden sich immer noch auf derselben Bank. Die Eltern mit Kindern sind durch Jugendliche ersetzt, die den Ort nutzen, um sich auszutauschen und ein paar Bier zu trinken. Auch ein Pärchen, das ein Eis isst, findet sich dort wieder. Die meisten Leute, die sich jetzt auf dem Platz befinden, wirken, als hätten sie vor, den ganzen Abend dort zu verbringen.

Ich suche mir einen Platz neben den Jugendlichen. Sie sind zu fünft, drei Jungen und zwei Mädchen. Ich schätze sie alle auf 18 bis 22 Jahre. Das Handy eines Mädchens klingelt: „Hallo Maus, ja, sind noch am Kreuzi und glühen bisschen vor. Kommst vorbei?.... und Maus..., kannst du deine Boxen für Mukke mitnehmen?“, höre ich das Mädchen sagen. Sie informiert ihre Freundesgruppe kurz, dass „Mary“ noch auf ein paar Bier zum Chillen vorbeikommt und sie dann ja immer noch schauen können, ob sie danach noch feiern gehen. „Sonst können wir ja heute nur hier hängen, haben ja noch genug zum Trinken“, wirft einer der Jungs ein. Die Gruppe vertieft sich wieder in Gespräche über Freunde und Bekannte.

Ich schenke meine Aufmerksamkeit wieder den anderen Gruppen auf dem Platz. Alle scheinen in Gespräche vertieft. Sie beschäftigen sich weder mit den anderen Gruppen, noch mit Passant_innen. Ich hatte damit gerechnet, durch meinen Aufenthalt die Dynamik des Platzes zu stören oder als „Außenseiterin“ wahrgenommen und angesprochen zu werden. Jedoch wird mir keinerlei Beachtung geschenkt, was die Situation deutlich entspannter und unbedrohlicher macht.

Auch wenn sich die anderen Anwesenden sichtlich wohlfühlen, wirkt der Platz für mich als Außenstehende, unruhig und ungemütlich. Das könnte zusätzlich an der Architektur oder der schummrigen Beleuchtung liegen. Ich fühle mich keineswegs unsicher, bedroht oder gestört. Jedoch kann ich durchaus nachvollziehen, wenn es jemandem so geht.

Die Jugendlichen haben mittlerweile Zuwachs bekommen und hören Musik. Immer wieder kommen Leute, die kurz auf den Bänken Platz nehmen und nach ein paar Minuten weiterziehen. Der Geräuschpegel ist relativ hoch und die Stimmung „ausgelassen“.

Alles in allem lassen sich viele verschiedene Aneignungsweisen dieses Ortes feststellen. Für jede der anzutreffenden Gruppen scheint der Platz eine andere Bedeutung zu haben. Sie schenken allerdings den anderen Gruppen wenig Aufmerksamkeit. Die Leute, die den Platz nutzen, wirken, als wären sie häufig dort. Für sie scheint es selbstverständlich, sich dort aufzuhalten. Der Unterschied in der Nutzung des Platzes zwischen Tag und Nacht ist jedoch groß. Das liegt vor allem daran, dass die Einkaufsmöglichkeiten nachts wegfallen und es auch keinen arbeitsbedingten Grund gibt, sich dort aufzuhalten oder den Platz zu überqueren. Die Dynamiken des Platzes werden sich durch die Anwesenheit einer Sicherheitswacht vermutlich stark verändern. Ob sich das Klima für die Akteur_innen verbessert oder sich die Nutzung des Platzes gar komplett verändert, bleibt abzuwarten ...

 

Alessa Füger