„Bisher war’s nie ein Problem“ – Absperrroutine und Kommunikationsstörungen
24.02.2017 um 00:00 Uhr
Foto: Carina Pilz
Die vordergründigen Aufgaben der Kommunikationspolizei sind Deeskalation und Information, sie fungieren als Ansprechpartner_innen für Demonstrant_innen, Passant_innen und andere Anwesende. Kommunikation findet aber nicht erst während der SiKo statt, sie ist schon im Voraus notwendig, damit der Sicherheitsbereich alljährlich in der zentralen Altstadt voller Luxusläden und Gastronomie eingerichtet werden und ein reibungsloser Ablauf gewährleistet werden kann. Die Veranstalter_innen der Konferenz schreiben deshalb jedes Jahr einen Brief an alle Anwohner_innen, in dem sie sich für die Umstände entschuldigen und um Verständnis bitten, sowie Informationen über den Zeitraum und Ablauf der Konferenz geben.
Darüber hinaus suchen sie aktiv den Dialog mit den Organisator_innen der Protestaktionen. Dabei wird im wahrsten Sinne des Wortes auf die entsprechenden Personen zugegangen, indem Vertreter der Munich Security Conference GmbH (MSC) direkt an den meist öffentlichen Treffen verschiedener Protestgruppen teilnehmen. Außerdem wird den Organisator_innen der Demonstrationen die Teilnahme an der Sicherheitskonferenz ermöglicht und der Versuch unternommen, möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten, um den Demonstrant_innen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Polizei München hält zudem jährlich im Vorfeld der Sicherheitskonferenz eine Pressekonferenz zum Sicherheitskonzept und den geplanten Absperrungen und Umleitungen ab und gibt entsprechende Richtlinien für die Demonstrationen weiter. Kommunikation, Transparenz, Informationen, Richtlinien – dadurch soll die SiKo gesichert werden.
Die Zusammenarbeit der einzelnen Behörden und der MSC verläuft sowohl nach Angaben des MSC-Vorstandes als auch der Pressestelle der Polizei München intensiv und reibungslos. Die Kommunikation mit der breiteren Münchner Öffentlichkeit gestaltet sich hingegen schwieriger, da nicht alle Bürger_innen die entsprechenden Kanäle über Twitter oder Facebook verfolgen und hier vor allem die Tagespresse eine wichtige Vermittlerfunktion einnimmt. Anliegende Geschäfte kommunizieren mit ihren Kund_innen meist, indem ein Zettel an die Türe gehängt wird, der über die veränderten Öffnungszeiten oder die Schließung im entsprechenden Zeitraum informiert. Grundsätzlich sei es „jedes Jahr das Gleiche“, weshalb die Kommunikation vor allem von offizieller Seite als weitgehend unproblematische Routine dargestellt wird. Gerade deswegen können bei leichten Abweichungen der eingespielten Abläufe auch Probleme auftreten, wie folgendes Erlebnis von Manuel Berger, dessen Büro sich im abgesperrten Sicherheitsbereich befindet, während der SiKo 2016 verdeutlicht:
„Also bis zu dieser Siko war’s eigentlich kein Problem, weil wir kamen da problemlos rein. Gegen Ausweis. Man musste halt durch die Personenkontrolle, da wurde man mehr oder weniger gefilzt und dann durften wir rein, wenn wir sagen was wir hier eigentlich wollten. Dieses Jahr war das nen bisschen anders. Dieses Jahr morgens kam ich noch rein, hatte dann aber noch nen paar Sachen auswärts zum Schaffen und kam dann wieder und stand dann plötzlich vor der Tür und sie dann [die Polizei]: "Ja ne Sie dürfen hier nicht rein. Haben sie denn eine Zutrittsberechtigung?" "Nein die hab ich nicht." "Ja ihr Chef hätte ihnen eine Zutrittsberechtigung ausstellen müssen." "Aha. Woher sollen wir das wissen?" "Ja das muss man halt wissen", nach dem Motto. Hatt ich nicht und im Endeffekt ham die dann zugesperrt. Mir blieb dann nichts anderes übrig. Ich bin dann im Endeffekt mit zwei schwer bewaffneten Polizisten hier rein, hab dann meine Sachen abgeholt und bin dann nach Hause gegangen. (...) Ich musste schon die Leute überzeugen, dass ich hier bitte noch meine Sachen abholen möchte, weil [...] ja noch mein Schlüssel für daheim drinnen [war], lag ja noch im Büro und wie schon gesagt, es waren zwei schwarz gekleidete Einsatzkräfte mit Maschinenpistolen, die mich auch hier rein begleitet haben und ziemlich genau geguckt haben, was ich hier gemacht habe. Also sie waren schon sehr vorsichtig. Also deutlich vorsichtiger als in den vorherigen Jahren. Weil auch davor wars nie ein Problem.” (Manuel Berger, Qualitäts- und Projektmanager ,München)1
Mona Bergmann, Bastian Nachtmann
Teil 3: „Das ist halt so“ - Gewöhnung an die Störung
Teil 4: „Die [...] schaffen es nicht, die Menschen zu mobilisieren“ - Früher war alles schlimmer
Teil 5: „Die da oben“ und „die da unten“ – Von Mächtigen und Ohnmächtigen
Fazit: Die Routine in der Ausnahme
Literatur
1Alle Personen- und Firmennamen in diesem Artikel mit Ausnahme der MSC-GmbH und dem 'Aktionsbündnis gegen die sogenannte NATO-Sicherheitskonferenz' sind zum Schutz der Personen anonymisiert.