Ästhetik als Ausschluss: Wie Luxuswohnanlagen durch Architekturen Sicherheit herstellen
Die Lenbach Gärten: „Eine Komposition, die so komplex ist, dass sie sich nur in einem Wort beschreiben lässt: sophisticated.“
Alle abgesicherten Wohnanlagen in München – und davon gibt es einige – heben sich wie die Lenbach Gärten von ihrer urbanen Umgebung durch ihre Gestaltung ab und werben damit, so „eine starke Identität“ schaffen zu wollen (vgl. Broschüre Therese). Der Raum soll ‚verschönert‘ werden, und meist wird unter ‚Verschönerung‘ ein gepflegtes Erscheinungsbild, Sauberkeit und Ordnung verstanden. Nicht nur der Baustil und die architektonische Umsetzung der Gebäude, sondern auch die Gestaltung und Bepflanzung der Innenhöfe, Wege und Grünflächen scheint meist einem bestimmten Konzept und ästhetischen Grundsatz zu folgen. Diese werden als „stilbewusst“, „repräsentativ“, „kultiviert“, „großzügig“, „klassisch“ oder auch „formvollendet“ (vgl. Broschüren und Exposés der Wohnanlagen Augustenhöfe, Bavaria Palais und Lenbach Gärten) konzipiert und beschrieben.
Abgesicherte (Luxus-)Wohnanlagen in München:
Lenbach Gärten, Isar-Stadtpalais, The 7, studiomuc, Augustenhöfe, Palais an der Oper, Wohnanlage am Olympiaberg (Winzererstraße), Olympia Tower- und Flaucher Auen-Studio Apartments, Glockenbachsuiten, ab 2018: Bavaria Palais und Therese
So wirbt die Anlage Therese in ihrer Broschüre:
„Ein Ensemble mit dem für die Maxvorstadt typischen Hofcharakter. Großzügige Balkone, Terrassen und Freisitze durchziehen die Fassaden. Die unterschiedlichen Formen und Farben, die vielfältige Begrünung sowie die lebendige Verzahnung der Einzelgebäude schaffen eine starke Identität. Dies setzt sich im Inneren der Gebäude fort. Hochwertige Materialien vermitteln einen wohlkomponiert sicheren Stil.“
Der Raum wird in abgesicherten Wohnanlagen durch Vorplätze, Innenhöfe, Zäune, niedrige Steinmauern oder Hecken und Bäume gestalterisch und symbolisch eingefriedet. So werden – unter gleichzeitigem Einsatz von Überwachungstechnologien wie Kameras und Infrarot-Bewegungsmeldern und Concierge-Services – sichere Orte in vermeintlich unsicheren urbanen Räumen geschaffen: Sicherheit wird in Wohnanlagen wie der Therese, die geordnet und aufgeräumt erscheinen und optisch von einer bestimmten ästhetischen Vorstellung und Linie durchzogen sind, vermehrt ästhetisch und räumlich hergestellt und mit Ordnung und Sauberkeit gleichgesetzt. So selektieren diese Räume, sie werden exklusiv.
Zur Sicherheit trägt hier nicht nur die gestalterische Verwendung „hochwertiger“ und teurer, „ausgesuchter Materialien an Wand, Decke und Boden“ bei, sondern auch die Wegführung und damit Zonierung des Raumes durch verschiedene Arten der Bepflanzung. Andererseits wirkt ebenfalls die Lichtführung ein, die mit Hilfe von durchgängigen Beleuchtungssystemen hergestellt wird, wodurch keine dunklen Ecken entstehen sollen und auch der Durchgangsverkehr von Passant_innen gelenkt wird. Beschilderungen und bestimmte Zeichen und Symbole ergänzen die baulichen Abgrenzungsmechanismen: Hier wird erläutert, wer den Raum betreten darf und wer nicht – wo man sich aufhalten darf und wo nicht – was man auf diesen Flächen tun darf und was nicht. In Hausordnungsklauseln, Parkplatzordnungen, Warnhinweisen konkretisiert sich dies weiter. Die den Raum nutzenden Personen werden in diesen Ordnungen dazu angehalten, sich ‚regelkonform‘ zu verhalten: keinen Müll liegen zu lassen, keine Plakate, Poster oder Aufkleber anzubringen, sich ruhig zu verhalten, auf den Wegen zu bleiben bzw. nicht auf dem Rasen zu gehen, zu spielen, zu liegen oder zu sitzen. Die Ordnung des Raumes und das durch und ihn ihm vermittelte Sicherheitsgefühl soll so von allen Nutzer_innen aufrecht erhalten werden.
Weil die Wohnanlagen Privatgrund sind, können die zuständigen Hausverwaltungen der Wohnanlagen Disziplinierungen meist problemlos auch auf den Grünflächen und Wegen anwenden; so jedoch wird der vormals meist öffentliche Raum durch all die Regeln und Verbote zunehmend verrechtlicht.
Wer sich nicht passend verhält, fällt auf und kann schnell als nicht zugehörig identifiziert werden: „Solche Leute würden hier ja auch sofort sehr auffallen … die kommen hier ja garnicht erst rein“, meint Miriam, die in dem Luxus-Appartement-Komplex studiomuc wohnt. „Solche Leute“ – das sind Menschen, die rein optisch nicht ins bekannte bzw. gewünschte Schema passen, die sich vor dem Gebäude auffällig verhalten, beispielsweise durch lärmendes Auftreten oder durch einen dem Concierge-Service ungewöhnlich lang erscheinenden Aufenthalt vor und auf dem Gelände der Wohnanlage. Sie werden durch die Architektur und das (Landschafts-)Gestaltungskonzept besonders sichtbar gemacht – abgesicherte Wohnanlagen vermitteln so ästhetisch, wer Zugang hat und wer nicht.
Anne Dietrich