Cox – Freund, Kollege und Familienmitglied
23.02.2017 um 00:00 Uhr
Foto: Said Burg
„Ich sag’ immer, sie haben einfach ein total interessantes Leben. Denen ist, glaub’ ich, nicht langweilig. Also die dürfen überall Gassi gehen, die sind jetzt nicht immer an ihrer gleichen Stelle und sind immer nur da. Die gehen in ganz München Gassi. Dürfen in den Englischen Garten, sind da. Ich glaub’, dass das alles immer total interessant ist für die. Also fad ist denen nie. Die müssen nie lang allein daheim bleiben, weil sie immer mit in die Arbeit fahren. Ich denk’, das sind ganz ausgeglichene Tiere.“
(Hundeführerausbilderin und Polizeiobermeisterin Birgit, 01.06.2016)
Die Diensthundestaffel garantiert eine „24-stündige Abdeckung aller Einsätze in den Bereichen Sprengstoff und Rauschgift“1. Neben der ‚normalen’ Polizeistreife fährt der_die Hundeführer_in über Funk vernommene Einsätze, für die ein Diensthund benötigt werden könnte, selbstständig an, oder wird von Kolleg_innen bei Bedarf herbeigerufen. Sind nichtmenschliche Fähigkeiten erforderlich und öffnet sich die Tür der Transportbox, so erkennen Hunde wie Cox, der Belgische Schäfer-, Rauschgiftspür- und Schutzhund von Hundeführer Christoph, bereits am Geschirr, welche Aufgabe ihnen bevorsteht. Wird diese dann erfolgreich gemeistert, mag es auch nur Routine sein, erfüllt es Mensch und Tier offensichtlich mit Freude und Stolz:
„Der Hund fängt vor Freude an zu wedeln und wenn du hörst, wie die Nase dann auch geht, diese Atem- oder diese Riechfrequenz vom Hund, wie hoch die auf einmal wird [simuliert eine hohe Riechfrequenz, Anm. der Autorin] – und dann der letzte Einschnauferer, dieses [simuliert das Einatmen, Anm. der Autorin]. Und auf einmal Ruhe. Und dann weiß man, da ist was, da ist was. Und dann schaust du nach und dann ist halt da was. Das ist halt einfach schön. Du kannst die Freude beim Hund selber einfach... Du merkst das.“ (zum Anhören hier klicken)
(Dienstgruppenleiter und Hundeführer Christoph, 01.06.2016)
Um eine konzentrierte Arbeitsatmosphäre zu gewährleisten, sind die Tiere in den Büroräumen der Diensthundestaffel offiziell nicht erlaubt. Die zur Verfügung stehenden Zwingeranlagen wirken trist, karg und alles andere als einladend, weshalb sie kaum genutzt und zeitnah modernisiert werden. Stattdessen warten die Hunde alleine im Auto. Dass sie nicht gemeinsam auf eine eingezäunte Spielwiese gelassen werden, wo sie ihrem Spiel- sowie Bewegungsdrang nachkommen und Sozialkontakte mit Artgenossen pflegen können, liegt insbesondere daran, dass sie während ihrer Dienstzeit permanent einsatzbereit sein sollen. Daher kann das Risiko, dass Cox und seine vierbeinigen Kollegen nach einer Runde Spiel und Spaß völlig aus der Puste sind, nicht eingegangen werden. Außerdem ist fraglich, ob die Hunde überhaupt miteinander spielen würden, da sie ausgesprochen stark auf ihre_n Hundeführer_in geprägt sind. Diese Fixierung ist auch im Privaten jederzeit spürbar, wie Christoph hier beschreibt (zum Anhören hier klicken).
Cox arbeitet seit rund fünf Jahren als Rauschgiftspür- und Schutzhund bei der Polizei München. Er hat, genauso wie all seine menschlichen Kolleg_innen, sowohl ein Berufs- als auch ein Privatleben – beide teilt er (nahezu) ausnahmslos mit seinem Hundeführer Christoph. Ein normaler Arbeitstag beginnt meist sehr früh: Dem Aufstehen folgt ein kleiner Spaziergang, dann wird gefrühstückt. Dabei lässt Cox sein Herrchen (und dessen Marmeladenbrote) keinen Moment aus den Augen. Anschließend besteigen die beiden das Auto und fahren zur Dienststelle in Allach. Ist ein Streifentag (im Vergleich zum Trainings- oder Bürotag) an der Tagesordnung, belädt Christoph das Dienstfahrzeug mit dem nötigen Equipment wie Cox’ Geschirr, Leine und Spielzeug – nicht zu vergessen: sein Lieblingspolster, das der Transportbox im Kofferraum des Wagens eine gewisse persönliche Note verleiht. Cox nimmt darauf mit geübtem, leichtfüßigem Sprung Platz. Der weitere Tagesverlauf ähnelt dem von ‚normalen’ Polizeibeamt_innen und besteht beispielsweise aus Routinekontrollen von Personen wie auch Fahrzeugen, dem Ausstellen von Strafzetteln und sogenannten Präventionsstreifen, bei welchen das Herrchen-Hund-Gespann durch Münchner Wohngebiete spaziert und nach dem Rechten sieht.
Nicht selten kommen sie dabei mit Bürger_innen in Kontakt: Während die einen skeptisch die Straßenseite wechseln, fragen andere neugierig nach und erkundigen sich etwa nach Cox’ Rasse oder dem Anlass der Streife. Den Polizeifunk hört Christoph durchgehend mit – bedarf es bei einem Einsatz die Unterstützung eines Rauschgift- oder Schutzhundes, machen sich die beiden umgehend auf den Weg. Sollte das nicht der Fall sein, nutzt der Hundeführer die Zeit für kleine Trainingseinheiten mit seinem Hund (zum Beispiel Fährtenlesen). Schlussendlich kehren sie zur Dienststelle zurück, wo Christoph häufig noch Schreibarbeit zu erledigen hat. Indessen wartet Cox bei geöffneter Kofferraumklappe des Privatautos gelassen in seiner Transportbox – dies ist möglich, da das Gelände umzäunt ist.
Im Berufsleben ist Cox folglich gewissen Zwängen und Regularien unterworfen – er muss komplett auf seinen Job ausgerichtet sein. Und im Privaten? Hier genießt er viele Freiheiten, wie Christoph erzählt:
„Er hat sehr viele Freiheiten, er ist ein Familienmitglied bei uns zuhause. Er darf eigentlich... [schmunzelt] Mittlerweile darf er alles. Also nein, alles darf er natürlich nicht. Er darf sich nichts vom Tisch holen, er darf auch die Nase nicht auf den Tisch raufstrecken, er darf mal hochgucken zu uns am Tisch, aber das ist schon alles. Aber er durfte früher nicht auf der Couch schlafen, mittlerweile darf er natürlich auch auf die Couch mit. Und darf auch ins Schlafzimmer, also er hat da eigentlich wirklich sämtliche Freiheiten. Aber er ist jetzt auch keiner, der da irgendwie was ausnutzt und sagt: ‚Ok, da reiß ich mir jetzt mal das raus oder ich zerleg’ irgendwas.’ Er ist ein sehr, sehr anständiger Hund.“
(Dienstgruppenleiter und Hundeführer Christoph, 01.06.2016)
Laura-Louise Gettmann
Hier gehts weiter zu Teil 3: "Ein total interessantes Leben": Vom Privat- zum Diensthund
Literatur
1 Diensthundestaffel München/Polizeiinspektion ED5 (2016): Ein Mensch und seine Seele. München. S. 2. (weiterlesen...)