Sicherheit in München
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Fazit: Von „sicherer“ und „unsicherer“ Luftfracht

Während beim Compliance Check die Personen überprüft werden, die hinter der Luftfracht stehen, ist die Luftfracht bei Röntgenkontrollen und Sprengstofftests selbst Gegenstand der Kontrolle. Die Kontrollen und Überprüfungen sind Übergangsrituale in der Herstellung von Sicherheit: sie verändern die Fracht, machen sie vom unsicheren zum sicheren Objekt. Wie das Beispiel der Paketbombe aus dem Jemen zeigt, können technische Geräte und Überprüfungsverfahren Sicherheit nie vollständig herstellen, nicht alles erkennen, es bleibt immer ein Rest, der nur erfühlt werden kann. Damit sind Kontrollen eher Rituale als rationale Verfahren.

Am Ende der Rituale wechselt der Status im Luftfrachtbrief von „unsicher“ zu „sicher“. „Sicher“ heißt am Ende des Prozederes, dass die Luftfracht in ein Flugzeug verladen und an seine Destination transportiert werden darf. Von ihr geht keine Gefahr für Mensch und Umwelt aus. Während des Übergangsrituals der Überprüfung trägt der Ausdruck „sicher“ jedoch verschiedene Bedeutungen und wird erst im letzten Schritt in das „sicher“ im Luftfrachtbrief übersetzt: nur wenn die einzelnen Schritte der Überprüfung Sicherheit ergeben haben, steht dies auch im Dokument.

Wie setzt sich „Sicherheit” in der Luftfracht also zusammen? Was ist hier sicher? Sicher ist, wenn es keine Übereinstimmungen mit Datensätzen auf spezifischen Listen gibt. Sicherheit ist hier also Überprüfbarkeit und Datentransparenz oder kurz: dokumentarische Sicherheit. Die Software des Compliance Checks kann dabei als Sieb verstanden werden, das eine Vorauswahl potentiell unsicherer Personen, Firmen und Organisationen trifft.

Sobald die Luftfracht im Frachtterminal ist, geht es nicht mehr um die Transparenz von Personen, Firmen und Organisationen, sondern um das Nicht-Vorhandensein einer Kombination von Elementen, die zusammen z.B. eine Bombe ergeben können. „Sicher“ ist Luftfracht dann, wenn sie zum einen mit dem  Röntgengerät überprüft werden kann und wurde, die Maschine keine „gefährlichen“ Objekte sichtbar macht und die LSKK kein schlechtes Bauchgefühl bei dem Packstück hat.

Bei der Sprengstoffkontrolle wiederum sind die Gefahren auf Sprengstoffe eingegrenzt. „Sicher“ ist Luftfracht hier, wenn keiner der dem Gerät bekannten Sprengstoffe gefunden werden konnte. Sicherheit ist also in jeder der beschriebenen Situationen etwas sehr Spezifisches: Durchleuchtbarkeit, Bauchgefühl, Sprengstofflosigkeit und Datentransparenz. Außerdem ist Sicherheit in keiner der Situationen objektiv herzustellen: es geht immer wieder um Ermessensentscheidungen der beteiligten menschlichen Akteure. Beispielsweise wenn wie im Fall der Röntgenkontrolle Moral ins Spiel kommt. Die Entscheidungsmacht liegt letztendlich in allen drei Situationen bei den menschlichen Akteuren, die die Ergebnisse der Technik interpretieren und einschätzen können müssen. Die Technik nimmt dabei hauptsächlich eine visualisierende Rolle ein. Die Technik ist zudem vor allem aus wirtschaftlicher Perspektive bedeutend: ohne den Einsatz der Technik, wäre es gegenwärtig nicht möglich, den globalen Transport von Luftfracht aufrecht zu erhalten.

Um einen möglichst hohen Grad an Sicherheit zu erhalten, beruhen die Interaktionen in der Luftfrachtkontrolle insgesamt auf mehrfacher Prüfung und Misstrauen. Man kann von einer Misstrauensspirale sprechen, die dem Verhältnis von Technik und menschlichen Akteuren zu Grunde liegt. Wie der LogFreight1 Sicherheitsbeauftrage Christoph Ohm im Gespräch beschreibt, wird in der fortwährenden Entwicklung neuer Technik versucht, die Fehlbarkeit des Menschen mittels Technik auszuhebeln. Der Mensch wird hier in der Regel als das schwache Glied bezeichnet, dessen Interpretationen subjektiv und somit fehlbar sind. Der Einsatz neuer Technik soll die Interpretationen durch menschliche Akteure obsolet machen und so zu einem Sicherheitsgewinn beitragen. In der Praxis aber, sollen menschliche Akteure Technik kritisch hinterfragen und die Ergebnisse richtig interpretieren. So kommt es zu dem Effekt, dass die Fehlbarkeit des Menschen durch Technik ersetzt werden soll, die dann wiederum fehlbar ist und vom Menschen überwacht werden soll, weshalb es dann erneut Technik braucht, um den Menschen in seinen Interpretationen der fehlbaren Technik zu unterstützen... eine Spirale die sich ad ultimo fortsetzen kann.

 Libuše Vepřek

 

 

Literatur

1 Die Namen der Interviewpartner_innen sowie der Spedition und des Dienstleistungsunternehmens wurden anonymisiert. (weiterlesen)

(Weitere Literatur zum Thema gibts hier...)