Sicherheit in München
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Von Motiven, Zielen und Gegnern ...

23.02.2017 um 00:00 Uhr

Bevor ich mit Stefan und Wolfgang von der Sicherheitswacht Neuhausen-Nymphenburg über ihre Motivation sprach, interessierte mich das Phänomen Sicherheitswacht vor allem, da es mich im ersten Moment an Bürgerwehren erinnerte. Ein Zusammenschluss, der durch die Straßen patrouilliert und schaut, ob alles mit dem Rechten zugeht? – Klingt zunächst etwas bedrohlich.

Da der Zusammenschluss ‚Sicherheitswacht’ jedoch von der Polizei und damit staatlich organisiert ist, interessiert mich auch, was hinter diesen Patrouillen steckt und was sich die Polizei München durch solche Maßnahmen erhofft. Herr Sorgalla von der Dienststelle Neuhausen-Nymphenburg erklärt, dass bei der Sicherheitswacht für die Polizei in erster Linie die subjektive Sicherheit der Anwohner_innen im Vordergrund stehe.

So richtet sich eine Sicherheitswacht in erster Linie an Bürger_innen, deren subjektive Sicherheit in Gefahr ist. Hiermit sind insbesondere ältere Menschen und Frauen gemeint. Vor allem Dunkelheit, Unordnung und Personen, die sich auffällig und aufdringlich verhalten, würden für diese Gruppen eine Erhöhung der subjektiven Unsicherheit bedeuten. Auslöser der gefühlten Unsicherheit seien zudem die akute Terrorgefahr und Vorfälle wie der Amoklauf vom 22. Juli 2016.

Um den Bürger_innen die Angst zu nehmen, müsse Sicherheit sichtbar gemacht werden. In den Berichten der Süddeutschen Zeitung klingt bei Ulrich Rothdauscher, ehemaliger Leiter der Dienststelle Neuhausen-Nymphenburg, jedoch vor allem das Thema ‚Flüchtlinge’ als Motiv für die Sicherheitswacht durch. Hier betont er, dass das Unsicherheitsgefühl der Bürger_innen mit der ‚Flüchtlingskrise’ und Ereignissen wie der Silvesternacht 2016 in Zusammenhang stehe. Weiter erwähnt er zahlreiche Anfragen von Bürger_innen, häufiger bei der Streife an Flüchtlingsunterkünften vorbeizufahren. Für Anfragen dieser Art reiche allerdings das Personal der Polizei nicht aus. Deshalb seien hier Freiwillige notwendig, die bestimmte Aufgaben übernehmen.

Eine Sicherheitswacht soll dabei keinesfalls die Polizei ersetzen, sondern sie vielmehr unterstützen. Die Sicherheitswacht gilt als „verlängerter Arm der Polizei“ und wird als Bindeglied zwischen Bürger_innen und Polizei angesehen. Gerade dadurch, dass die Freiwilligen zu Fuß unterwegs sind, erhofft sich die Polizei, dass sie vermehrt angesprochen werden und auffallen. So kann die Polizei präsenter sein, ohne mehr Personal einstellen zu müssen – ein Vorteil, den die Grünen eindeutig als Nachteil sehen:

Als die Einführung einer Sicherheitswacht in Neuhausen Anfang 2016 erneut von der Polizei München forciert wurde – nachdem der erste Versuch im Jahr 2015 gescheitert war – kam die wohl lauteste Gegenstimme gegen die Sicherheitswacht von den Grünen. Deshalb wird ihnen von Seiten der Freiwilligen auch vorgeworfen, für das schlechte Image der Sicherheitswacht und den Vergleich mit einer Bürgerwehr verantwortlich zu sein.

Zwar wünschen sich die Grünen mehr Polizeipräsenz, jedoch von ausgebildeten Beamten und nicht von Freiwilligen. Sie befürchten zum einen, dass sich unter den Freiwilligen trotz Einstellungstest und der 40-stündigen Ausbildung Personen mit rassistischen Motiven befinden könnten, und zum anderen, dass ein Unsicherheitsgefühl durch die Thematik erst hervorgerufen und produziert werde. Durch die Anwesenheit dieser ‚Aufpasser’ könnten sich einige Anwohner die Frage stellen, welche Bedrohungen in ihrem Viertel existieren, die solche Maßnahmen erst notwendig machen.

Drei Monate nach der Einführung lautet das Resümee von Alexander König, Sprecher des Grünen Ortsvereins Neuhausen-Nymphenburg und Mitglied des Bezirksausschusses1:

Das Sicherheitsgefühl in einem Stadtteil hängt für König vielmehr mit der Architektur eines Raumes als mit der Präsenz von Ordnungskräften zusammen. Entscheidend seien Licht, Weitläufigkeit und Ästhetik. Allerdings ließe sich eine Sicherheitsmaßnahme wie die Sicherheitswacht leichter einführen und auch leichter wieder abschaffen. Die Architektur eines Viertels hingegen ließe sich nur relativ schwer verändern. So empfindet er die Einführung einer Sicherheitswacht seitens der Polizei als durchaus nachvollziehbar.

„Hä, was machen die hier, warum brauchen wir hier so etwas? Muss ich mich unsicher fühlen?“
Vor- oder Nachteil für die Anwohner?

Im Zentrum der Diskussionen um die Sicherheitswacht stehen stets die Anwohner_innen des Stadtteils – auch bei den Grünen. Immerhin geht es um ihr Sicherheitsgefühl, das verbessert werden soll. Aber funktioniert das? Wie kommt die Sicherheitswacht in Neuhausen bei den Bürger_innen an, was bringt sie ihnen? Die Meinungen gehen am Rotkreuzplatz darüber auseinander: Manche fühlen sich tatsächlich ‚sicherer’ und können die Intentionen der Polizei nachvollziehen. So wie Maximiliane, 28, die sich des Personalproblems der Polizei bewusst ist und die Sicherheitswacht als durchaus legitime Lösung empfindet:

Ebenso kann Gabriele, 53, das Instrument nachvollziehen, auch wenn sie sich persönlich nicht von der Problematik angesprochen fühlt:

„Ich fühle mich hier keinesfalls unwohl oder unsicher, allerdings ist es ja kein Geheimnis, dass bei der Polizei Personalmangel vorherrscht. Wenn sich das Problem also durch Freiwillige, die lediglich als Berichterstatter und Beobachter fungieren, lösen lässt, warum nicht? Sollten sich Institutionen wie Sicherheitswachten etablieren, sehe ich da durchaus eine Chance zur Verbesserung des subjektiven Sicherheitsgefühls. Das Problem ist allerdings, dass die meisten die Intention hinter einer Sicherheitswacht nicht kennen und das Ganze daher vermutlich erst einmal negativ bewerten.“

Viele Anwohner_innen des Stadtteils haben von der Einführung der Sicherheitswacht überhaupt nichts mitbekommen und stehen dem Ganzen etwas skeptisch gegenüber. Manche sind überhaupt erst durch dieses Projekt mit der Sicherheitsthematik konfrontiert worden und erst dadurch gezwungen, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Denn mit der Sicherheitswacht geht es um das eigene Viertel, das eigene Verhalten und die eigene Sicherheit, die verbessert oder hergestellt werden soll.

Somit geht diese Thematik im Prinzip jede Person an, die in diesem Stadtteil wohnt. Die Sicherheitswacht ruft quasi dazu auf, sich über Sicherheit Gedanken zu machen. Sicherheit wird damit emotionalisiert, die Sicherheitswacht leistet Emotionsarbeit. Sie sorgt auch angesichts der durch ihre Einführung evozierten Unsicherheiten für das ‚gute Gefühl’, das sowohl von der Polizei als auch von den Freiwilligen immer wieder als Ziel, aber auch als Motiv betont wird: Sie möchten den Anwohner_innen ein ‚gutes Gefühl’ in Bezug auf ihr Viertel vermitteln. Andrea, 24, findet jedoch: „Ob eine Sicherheitswacht in der Lage ist, wirklich ein gutes Gefühl im Bezug auf ein ganzes Viertel herzustellen, glaube ich nicht. Viel eher frage ich mich, wer hier überhaupt ein schlechtes Gefühl hat.“ Und für Ferdinand, 28, macht eine Sicherheitswacht in Neuhausen-Nymphenburg wenig Sinn: „Schau dich doch mal im Viertel um: Hier ist es eh schon super sauber und behütet. Das Einzige, was ich mir vorstellen kann, was eine Sicherheitswacht bei den Menschen auslöst, ist der Gedanke: Hä, was machen die hier, warum brauchen wir hier so etwas? Muss ich mich unsicher fühlen?“

Sarah, 25, und Max, 32, die drei Jahre in Neuhausen-Nymphenburg gewohnt haben, stehen dem Ganzen skeptisch gegenüber. Sie interpretieren die Sicherheitswacht als Überwachung von Flüchtlingen: „Ich finde, das sendet völlig falsche Signale, so eine Sicherheitswacht. Für mich hört sich das nach einer Kontrolle der Flüchtlinge an, nach dem Motto: Ihr seid zwar jetzt hier, aber was ihr hier macht und wie ihr euch hier bewegt, schauen wir uns ganz genau an. Und wehe ihr kommt den Anwohnern von Neuhausen-Nymphenburg zu nahe!!“, so Sarah. Max fügt hinzu: „Wenn das Ganze echt manchen Leuten hilft und die subjektive Sicherheit verbessert, ist das ja toll, aber das Timing und die Wortwahl rund um den Diskurs lassen diese Sicherheitswacht echt ein bisschen rassistisch wirken.“

Bei einem Treffen mit den Grünen stellt Herr Rothdauscher, ehemaliger Neuhauser Polizeichef, die Frage: „Was schadet es dem einen, wenn es dem anderen nutzt?“ Der Philosoph Michel Foucault hat jedoch betont, dass der Nutzen von Sicherheits- und Disziplinierungsmaßnahmen gerade darin liegt, etwas wie Sicherheit als Thema zu etablieren, womit zugleich immer bestimmte Gruppen ausgeschlossen werden. Was bringt und was schadet also die Sicherheitswacht?

Anders als anfänglich vermutet, soll es bei einer Sicherheitswacht nicht darum gehen, Verbrechen zu verhindern, sondern vielmehr Ordnung und Ruhe im Stadtviertel zu bewahren oder herzustellen, damit sich die Anwohner_innen wohlfühlen. Es geht also nicht darum, Kriminalität am Rotkreuzplatz zu unterbinden oder darum, dass der Platz als besonders gefährlich eingestuft wird.

Es geht vielmehr darum, die kleinen Delinquenzen des Alltags zu kontrollieren und die Bürger_innen von sich aus dazu zu bewegen, diese nicht mehr zu begehen. Jedoch führt das in gewisser Weise dazu, dass die Personen, die diese subjektive Ordnung und Ruhe der ‚guten Bürger’ gefährden, diskriminiert, herausgestellt und kriminalisiert werden. Ob eine Sicherheitswacht in Neuhausen-Nymphenburg Sinn macht, lässt sich nicht evaluieren, wie Herr Sorgalla deutlich macht. Für ihn zählt am Schluss das (subjektive) Feedback der Bürger_innen.

Alessa Füger

(Weitere Literatur zum Thema gibts hier...)